Der ge|halt|volle Begriff, den du in deinen Wortschatz aufnehmen solltest: Ereigniszeit
„Lass der Zeit Luft zum Atmen“
Uhrzeit, das oder die kennen wir.
Die Uhrzeit trugen wir für Jahrzehnte am linken Arm, jetzt genügt ein Blick aufs Smartphone und wir wissen exakt, wie spät es ist.
Aber Ereigniszeit?
Für viele ein unbekannter Begriff, obwohl diese in vielen Regionen unserer Welt regiert.
Wir leben in der Chronos-Welt (von dem griechischen Wort chronos für Zeit). In dieser Welt endet ein Ereignis, wenn der nächste Termin ansteht.
In der Ereigniszeit-Welt beginnt dagegen der nächste Termin, wenn der vorherige zu Ende gekommen ist.
In der Chronos-Welt – Ausnahmen sind immer möglich – beenden wir ein Gespräch, wenn die Zeit dafür abgelaufen ist. Vielleicht sind wir noch gar nicht zum Hauptthema gekommen.
- Wer hat es noch nicht erlebt, dass er von einem Treffen gehen musste, obwohl es gerade erst so richtig interessant geworden war?
- Und wenn die beste Predigt zu lange dauert, werden die Zuhörer unruhig, weil der Gottesdienst nicht rechtzeitig enden wird.
Das sind die Schattenseite der Chronos-Welt: Wir brechen zu früh ab. Und wir können zu spät kommen und Wichtiges versäumen, weil man nicht auf uns gewartet hat.
Franz Grillparzer bringt es in seiner Novelle „Der arme Spielmann“, 1848 erschienen, auf den Punkt: „Das Neue sollte auf den Platz, den das Alte noch nicht verlassen hatte…“
Diese Probleme kennt die Ereigniszeit nicht. Dort bleibt man, bis das Ereignis zu Ende ist. Was danach kommt, interessiert nicht oder kaum (auch hier sind Ausnahmen möglich).
Dafür gibt es hier erhebliche Schwierigkeiten mit der Koordination verschiedener Ereignisse. Und wer legt fest, wann ein Ereignis wirklich zu Ende ist?
Der Zeitpsychologe Robert Levine tituliert ein Kapitel über die Ereigniszeit mit „Das Versacken in der Ereigniszeit“.
„Eine Landkarte der Zeit. Wie Kulturen mit Zeit umgehen“, heißt sein empfehlenswertes Buch von 1997: https://www.piper.de/buecher/eine-landkarte-der-zeit-isbn-978-3-492-22978-4
- EreigniszeitMenschen sind gefährdet, im unproduktiven Chaos zu versinken.
- ChronosMenschen dagegen neigen mehr dazu, die Bedürfnisse der anderen zu unterschätzen.
Wir hier leben in der Chronos-Welt. Für uns gilt es, die Ereigniszeit wiederzugewinnen, ihre Vorteile zu schätzen und sie in einen kreativen Austausch mit den Terminen unserer Chronos-Welt zu bringen.
Praktisch heißt das:
Plane für die Ereignisse Luft ein, gib ihnen und dir mehr Zeit im Voraus.
Und: Plane die Übergangszeiten zwischen zwei Ereignissen großzügig, sodass du nicht von einem Termin zum nächsten hetzen oder ein Ereignis gewaltsam zu Ende „zwingen“ musst.